Glücklicherweise lieben die meisten Deutschen ihre Haustiere und sind um deren Wohlergehen sehr besorgt. Sämtliche Märkte können einbrechen, der Heimtiermarkt gehört zu den Konstanten der deutschen Wirtschaft.
Die Universität Göttingen errechnete aus dem Wirtschaftsfaktor “Heimtiermarkt” in einer Studie aus dem Jahr 2014 folgende Zahlen: Die Deutschen geben im Jahr 9,1 Milliarden Euro für ihre Haustiere aus. Die Studie ergab außerdem, dass in deutschen Haushalten etwa 11,5 Millionen Katzen leben, circa 6,9 Millionen Hunde und 6,1 Millionen Kleintiere wie etwa Nager, Vögel, Reptilien oder Fische. Wie gesagt, Stand 2014. Demnach dürften die Zahlen mittlerweile gestiegen sein.
Separiert man bei diesen Berechnungen die Hundehaltung, ergibt sich ein Wirtschaftsfaktor von 4,5 Milliarden Euro, so die Leiterin der Studie, Professorin Renat Ohr. Allein im medizinischen Bereich steht die Heimtiergesundheit mit 2,1 Milliarden Euro.
Für das Bruttoinlandsprodukt ergibt sich in der Gesamtsumme immerhin ein Wert von 0,32 Prozent – beachtlich. Solche Zahlen ziehen die Aufmerksamkeit von Investoren und Großkonzernen auf sich, keine Frage. Doch was bedeutet das für das Tierwohl?
Royal Canin und Mars – Tiermedizin und Süßigkeiten?
Jeder kennt den amerikanischen Schokoriegel-Produzenten Mars. Interessanterweise wissen nur die wenigsten, dass der Konzern global betrachtet der größte Betreiber von Tierkliniken ist.
Tiermedizin als Business Case? Richtig. Der Schokoriegel-Hersteller entdeckte unlängst auch den deutschen Markt, nachdem er in Amerika über 2000 Tierkliniken- und Praxen betreibt. Hinzu kommen noch Fachlabore, die ebenfalls zur Tiermedizin zugerechnet werden. Es ist übrigens den wenigsten Tierhaltern bekannt, dass Whiskas, Sheba, Pedigree, Cesar und Royal Canin zu Mars gehören.
Somit landet nicht nur der Gewinn des Verkaufes von Twix, Snickers oder Mars auf den Geschäftskonten des Konzern, sondern auch die tiermedizinische Behandlung und Betreuung von unzähligen Haustieren.
Im Juni im Jahr 2018 übernahm Mars die schwedische Unternehmensgruppe “AniCura”, die vorwiegend in Schweden, Norwegen, Dänemark, Österreich, der Schweiz, den Niederlanden und in Deutschland mehr als 220 tierärztliche Einrichtungen beinhaltete. Pro Jahr werden in den Praxen und Kliniken mehr als 2 Millionen Haustiere behandelt.
Allein in Deutschland werden 30 Tierkliniken nunmehr von Mars betrieben. Der Konzern selbst verkündete stolz, dass diese Übernahme der “strategische Eintritt in den europäischen Markt” sei.
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Der Tierarzt als Investorenmodell
Für viele ist der Beruf des Tierarztes ein Traumjob. Im Fernseher wird der Tierarzt gerne als naturverbunden, tierlieb und ethisch korrekt beschrieben. Gewinn-Verlustrechnungen, Bilanzen, Profit – diese Schlagworte passen so gar nicht ins Bild eines Tierarztes.
Allerdings muss jeder Tierarzt auch wirtschaftlich denken. Eine gutgehende Tierarztpraxis erfordert spezielle Gerätschaften und Instrumente. Das ist häufig der Grund, warum sich Tierärzte zu einer Gemeinschaftspraxis oder gar für eine Tierklinik entscheiden. Ein junger Veterinärmediziner, der frisch von der Uni kommt, hat selten die Möglichkeit, einen sechs- bis siebenstelligen Betrag für eine fertig eingerichtete Tierarztpraxis hinzulegen.
Somit ergeht es vielen Tierarztpraxen wie Arztpraxen aus dem Humanbereich: Kaum einer findet einen Nachfolger für seine Praxis. Hinzu kommen die Arbeitszeiten – und ja, auch die wirtschaftliche Seite.
…20 – 25 % müssten ihre Praxen schließen, wenn ihnen nicht durchschnittlich 20.000 – 25.000 Euro jährlich aus dem Verkauf von Diätfutter und dem Röntgensystem des Verbandes für das Deutsche Hundewesen zur Deckung der Praxisunkosten (Miete, Personal) zur Verfügung stehen würden…
– Quelle: Der Jahrtausendirrtum der Veterinärmedizin
Der Finanzinvestor als Hilfe
Finanzinvestoren beobachten die unterschiedlichen Märkte sehr genau. Dabei geht es meist nur um Zahlen, nicht um Inhalte. Es ist im Investorengeschäft unerheblich, ob es um Mode, Lebensmittel oder medizinische Produkte geht. Die zu erwartenden Gewinne zählen.
Die Investitionsgruppe EQT dürfte vielen deutschen Tierärzten ein Begriff sein, obwohl es sich um eine schwedische Beteiligungsgruppe handelt. Derzeit werden ein knappes Dutzend deutscher Tierarztpraxen unter dem Markennamen “Evidencia” betrieben. Insgesamt gibt es europaweit an die 500 solcher investorengeführter Praxen im veterinärmedizinischen Bereich.
Unter deutschen Tierärzten genauso bekannt dürfte die Nordic Capital sein, ebenfalls aus Skandinavien. “Anicura”, das ist die Bezeichnung der Praxen, die mit Nordic Capital gemeinsam in einem Boot sitzen. Hierzulande gibt es in Norddeutschland 30 solcher investororientierten Praxen. All diese tierärztlichen Einrichtungen gehen an Mars, den Schokoriegel-Hersteller.
Eine bessere Welt für Tiere?
Das offizielle Statement von Mars liest sich sehr unaufgeregt und sympathisch: eine bessere Welt für Haustiere schaffen, so das Motto. Aber sicher geht es auch um den Kontostand des Konzerns.
Ob das neue Investorenmodell für Tierhalter Vor- oder Nachteile in sich birgt, hat sich noch nicht herauskristallisiert. Ein Gedanke lässt sich dabei nicht von der Hand weisen: Sind Finanzgeschäfte und ethische Grundsätze miteinander kompatibel?
Derzeit wird die tierärztliche Gebührenordnung strikt eingehalten. Auch die Angestellten werden fair entlohnt. Bleibt das so, wenn sich erstmal eine gewisse Eingespieltheit zeigt? Man weiß es nicht.
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